Das Haus
Ort der Handlung:
Ein rustikales Haus in einem Arbeiterviertel
Charaktere:
Walter, der Vater
Ulrike, die Mutter
Grete, deren taubstumme Tochter
Heinrich, ihr Geliebter
Braunfels, ein Aufrührer
Szene I
Walter und Ulrike sitzen am Frühstückstisch. Walter
schaut paranoid hin und her. Er scheint sich zu
ärgern
Walter:
Warum speist sie denn nicht mit uns
oder leistet uns wenigstes Gesellschaft
Sind wir leprabehaftet oder leiden wir etwa an
Syphilis
Sind wir etwa schmutzig und berstet unser Tisch vor
Dreck
Ich weiss genau warum sie hält sich für etwas
besseres
Nur weil sie die Stimme Gottes vernimmt
und jene die einzigste ist die zu ihr dringt
während wir anderen normalsterblichen einem Wirr
Warr
von Sprache vielfältiger Art ausgesetzt sind
Vom Sopran bis zum tiefsten Bass
Nicht sie ist die behinderte wir sind es
Ständig hockt sie da in ihrer stillen Kammer
und erhält was weiss ich für Botschaften
und wir sind nur der Bodensatz der übrig bleibt
wenn sie ihren spirituellen Hochlandkaffee trinkt
Sie geniesst es gerade zu in der Gunst des
bärtigen alten Mannes zu stehen
Und dann malt sie sich gar noch an den seinen Pinsel
zu
führen und daraus entstehen nur groteske Karikaturen
Ernähren scheint sie sich nur von Luft und der Sonne
die in ihr Zimmer scheint
Manchmal denk ich sie ist ein Gewächs
und kein Geflecht von Organen
Schlafen tut sie bis nachmittags um halb 5
Dafür bleibt sie die ganze Nacht auf
und trampelt mit ihren Stiefeln auf und ab
das man wenn einem die Augen zufallen
gleich wieder aufschreckt und wach gemacht wird
Und wenn sie dann mal den Blick auf einen richtet
stiert sie einen an mit ihren funkelnden Augen
in denen sich der Orkus spiegelt
Sie zieht einen herunter in die tiefsten Abgründe
anstatt das sie uns zu ihren Höhen hinaufhebt
Wir sind ihrer nicht würdig
gerade dazu ihr Bett zu machen
und hinter ihr her zu räumen
sind wir grade noch fähig
Ich sag dir wir schmeissen sie raus
und das ganz ohne Applaus
Ulrike:
Ach Walter sei doch net so streng zu dem Mädel
Ein ganz junges Ding sie doch ist
Vom Leben hat noch nichts gesehn
Da draussen würd ihr doch übles geschehn
Mit ihrem hübschen Gesicht
da ist doch jeder Strauchdieb drauf erpicht
Walter:
Man sollte sie denen zum Fraß vorwerfen
So ein undankbares Stück
Ulrike:
Die Bilder die sie malt erzeugen
einen Schrecken ohne gleichen
Dennoch sollten wir sie würdigen
Immerhin entstammen sie aus tiefster Seele
gespendet von einer Gottheit
Walter:
Nur von welcher ist die Frage
ein Baal ein Marduk wirds schon sein
Szene II
Walter und Ulrike sitzen beim Abendessen. Walter ist
empört
Walter:
Der Typ den sie da neuerdings angeschleppt hat
ist ja wohl der Gipfel
So ein komischer Vogel ist mir noch nie
untergekommen
mit seiner Sammlung von fremden Exkrementen
in alten Limonandengläsern
Vom Hund, vom Marder, vom Stinktier, vom besoffenen
Vagabunden und von wem noch alles
Das Zeug hat in unserem Zuhause nichts zu suchen
Wir leben in einem anständigen Haus
Sein langes Haupthaar trägt er zum Zopf geflochten
alls stamme er aus grauer Vorzeit
wo man noch nichts von Zucht und Anstand hielt
Und das er sändig einen umarmen muss
Leute die er gar nicht kennt auf offener Straße
Dem seine Untriebe gehen viel zu weit
Aus jeder Gasse wächst das Zeug
und zerreist das Kopfsteinpflaster
Was die da oben wohl treiben
Lauter Scheuslichkeiten und Perversionen sag ich dir
schwer zu sagen ob die beiden Mensch oder Tier
Am Ende zeugen sie gar noch Nachwuchs
das wird eine höllische Teufelsbrut
Ulrike:
Es stimmt der Mann ist etwas sonderbar
aber er scheint sie zu lieben
und das ist alles was zählt
Seien wir doch froh das sich jemand ihr annimmt
der das Herz am Rechten Flecke trägt
Walter:
In der linken Hälfte wo unser eins es sitzen hat
scheint zumindestens keins zu sein
Der Gruber hat mir gesteckt das er sich
bei diesem ominösen Verein herumtreibt
Ganz garstige Burschen sollen dies sein
Was sich in der Bude abspielt
das weiss kein aufrechter Bürger
wahrscheinlich sinds ganz ausgefuchste Würger
Szene III
Walter und Ulrike sitzen beim Mittagstisch. Walter
rutscht unruhig hin und her. Ulrike will Walter
etwas Schweinebraten auftischen. Walter weist sie
von sich
Walter:
Geh fort Weib ich hab keinen Hunger
Ulrike:
Ach Walter du musst doch was essen
Hat doch alles keinen Sinn
Walter:
Ich reg mich so auf über das Gör
Ihre leibliche Mutter wahr wohl ein Orakel
das sie dem Mädchen den Namen Grete verpasst
Denn genau so wirds enden mit der Madmoiselle
Und wer sind dann die Leitragenden
Wir werden es sein die dem kleinen ein Zuhause gaben
Ansonsten wärs doch im Waisenhaus geendet
Heut denk ich mir so hätts kommen müssen
Vielleicht hätten die ihr Disziplin
und Respekt eingebleut
Das sie so einem Heinerle verfällt
der sie und uns einfach alle ins Unglück stürzt
Ulrike:
Aber sieh doch wie einsam und verlassen
wir wärn wenn wir sie net hätten
Wo wir doch keine eigenen kriegen können
Was der Herr Gott nimmt gibt er an
anderer Stelle wieder
Szene IV
Walter und Ulrike sitzen am Kamin
Walter:
Neulich wär der dicke Braunfels fast in mich
reingerannt
Konnt grad noch so ausweichen
Der hat seine fettigen Finger mit ihm Spiel sag ich
dir
Ein rechter Advocatus Diabolus ist er
mit der üppigen Goldkette um den Hals
Zieht jeden Köter am Schwanz
und diese gruseligen Pamphlete
die er da schreibt mit unser einer Blut
Ständig umkreisen ihn die Raben
angelockt durch seine düstere Aura
Ich sehs voraus sie werden uns die Augen rauspicken
und uns von raus verspeisen als wären wir leckere
Meisen
Szene V
Walter und Ulrike sitzen in der Gartenlaube
Walter:
Mittlerweile erwiedern die Leute nicht mal mehr
unseren Gruße
Flüstern wir würden mit diesem Pack zusammenhängen
Als ob wir uns freiwillig auf so eine Bagage
einlassen würden
Wir hätten die Reißlinie ziehen sollen als noch Zeit
dazu war
Jetzt ist alles verdorben
Keinen Sinn mehr drin
Szene VI
Walter und Ulrike sitzen vor einem alten
Röhrenfernseher und
schauen sich die Nachrichten an. Da klingelt es an
der Tür
Walter:
Herr Gott noch einmal nicht mal in Ruhe
seinen wohlverdienten Feierabend kann man geniessen
Geh Weib schau wer uns da stört
Ulrike geht an die Tür und öffnet sie - Da steht
Braunfels mit seinem trügerischem Lächeln
Braunfels:
Entschuldigen sie mein spätes Eindringen
aber ich muss mich an der Kunst ihrer Tochter
der Prophetin verdingen
Die für uns alle bringt ein Opfer
und den Aufstieg der violetten Morgenröte zu
verkünden
Ulrike schaut missmutig drein. Lässt ihn aber ein
Auch Walter ist nicht begeistert verhält sich aber
ruhig
Braunfels setzt sich nieder in einen Ohrensessel und
packt seinen Tabak aus. Er bietet Walter eine
Zigarette an. Walter macht eine abweisende Bewegung
Braunfels:
Der Herr macht sich wohl nichts aus Rauchwaren
Und ich vermutete in ihnen schon einen
Genussmenschen
Walter:
Ich geniesse und wie ich geniesse
Als wäre ich ein Baccus
Aber ich bevorzuge Erzeugnisse deren Erwerb ich mit
meinen
eigenen Händen finanziert habe
Nicht als Bestechungsversuch von einem Schurken
der sich diese Waren ermogelt und geraubt hat
Braunfels:
Dann wäre das geklrt
Nun kommen wir zum interessanteren Teil
Händigen sie mir die Bilder ihrer Tochter aus
Walter geht an einen Wandschrank und entnimmt diesem
die Gemälde die er Braunfels verachtungsvoll
hinwirft
Dieser setzt sein typisches Grinsen auf
Walter:
Mir ist ganz recht das dieser Schund
in die klebrigen versifften Klauen
eines Unholdes landet wo er hingehört
Braunfels lacht, steckt die Bilder in seine
Aktent und verlässt ohne Gruß das Haus der ihm
sowiso nicht erwiedert worden wäre
Szene VII
Heinrich ist aufgetaucht. Er und Walter spielen
Karten
Walter:
So ein Gesindel mit dem du da anbandelst
Alte Spukgeschichten die wir längst überwunden
dachten bringen sie zurück auf die Bühne des
Menschengeschlechts
Heinrich:
Wo sie mir doch Vertrauen entgegenbringen
Liebe und Respekt
All das was mir niemand zuvor zugestanden
Ich steh zu meinen Brüdern und diese zu mir
Mag sein das ich nicht der Schwiegersohn
bin den sie sich erhofft hatten
Doch mit all meinen Lastern und Fehlern
liebe ich ihre Tochter wie keiner zuvor
Walter:
Ein Strauchdieb bist du!
Scher dich weg mit deinem Gesindel
Wir sind gut ohne euch klar gekommen
Ihr werdet doch alles verderben
Uns in die Katastrophe stürzen
Walter schlägt mit seinem Stock nach Heinrich
Dieser weicht gekonnt aus
Heinrich:
Wisst ihr den nicht das ihr uns erschaffen habt?
Mit eurer bittersauren Moral
Euer pathosgeschwängerten Quenglerei
Dem ständigen Nörgeln und Mahnen
Was bleibt uns denn anderes übrig
als grobe Mittel anzuwenden
um eure Aufmerksamkeit zu erregen
Ihr lernt nur durch Schmerzen
die eure Windungen aufschrecken
uns sich den Weg durch eure Aterien bahnen
Blut wird es regnen
Eier wird die Schlange legen
Aus denen platzen neue Menschen
Gekrönt mit Lorbeer statt Fenchel
Szene VII:
Walter und Ulrike sitzen im Wohnzimmer
und hören eine Arie aus Franz Schrecker`s
Die Gezeichneten im Radio
Sie vernehmen merkwürdige Geräusche aus dem Keller
Walter:
Was der wohl im Keller zu treiben hat
Nichts gutes es wird sein
Ein Gepolter in einer Tour
Die Tür hält er verschlossen
Das man nicht mal einen Blick erhaschen kann
Ich sag dir da hat sich was übles
unter uns angesiedelt
Ungeziefer das durch die Wände krabbelt
und ein menschgewordener Andreasgraben
der ständig das Fundament zu erschüttern droht
Ulrike:
Und dennoch uns bereichert
Unser Leben war doch wie festgefahren
ehe er bei uns einzog
Teuflisch die Früchte mögen sein
die in unserer guten Stube wachsen
aber man kann sie verspeisen
Ist doch mal ne Abwechslung
zu den Kartoffeln die sonst da unten lagern
Wie könnten wir die Gegenwart ertragen
ohne uns vor der Zukunft zu fürchten
Szene VII
Heinrich zündet die Bombe. Das Gebäude fliegt in die
Luft. Keiner überlebt - Doch auf den Trümmern es
spriessen neue Triebe
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